Donnerstag, 4. Januar 2018

Die Kehrseite der Medaille

Bereits um 7:30 Uhr ging der Geieransturm auf das Geierrestaurant von VulPro los. Dabei hatten wir nur Aasreste von gestern aus den Volieren ausgelegt, an denen kaum noch was dran war. Da die meisten Geier erstmal auf dem Dach der Kapgeier-Brutvoliere landeten, gibt es heute zur Abwechslung mal etwas andere Flug- und Landebilder.
Wie immer beeindruckend, wie biegsam und flexibel Geier sind. Mal ist der Hals eingezogen, mal ausgefahren, mal im Flug angewinkelt, mal hängen die Füße im Landeanflug runter und mal zieht der Geier sie bis hinter die Ohren an... Diese Tiere faszinieren mich jeden Tag aufs Neue!
Die Geier taten uns total leid, weil sie schnell feststellen mussten, dass nicht genug Aas vorhanden ist. Also haben wir ihnen zusätzlich zwei unserer abgezählten Schweine serviert. Hoffentlich kommt bald eine weitere Aas-Lieferung, damit wir alle Geier in den Volieren versorgen und die wilden Geier unterstützen können.
Die Weißrückengeier in der Voliere chillten lieber noch eine Weile.
Nachdem wir drei Schweine auf den Anhänger verfrachtet hatten, ging es wieder nach Nooitgedacht. Schnell noch ein paar Kisten Schweinestücke von unserem Haupt-Aas-Lieferanten nahe Nooitgedacht eingesammelt und schon gings weiter Richtung Futterstelle. Kaum hatten wir das Privatgelände betreten, da tauchten auch schon die Giraffen direkt neben der Straße auf. Erst beim genaueren Hinsehen konnte ich auf diesem Bild direkt vier Stück entdecken. Sie können sich im Schatten der Bäume wirklich super tarnen!
Oben auf dem Berg angekommen, dann flogen die Geier wie feine Striche am Himmel entlang.
Wir schauten schnell an der leeren Voliere nach dem Rechten und füllten das Wasserbecken neben der Voliere auf, damit die wilden Geier dort trinken können.
Außerdem wurde das Aas im Geierrestaurant ausgelegt und die Bilder von der dortigen Kamera gesichert. Es ist faszinierend, wieviel Aas wir 2-3mal die Woche dort auslegen und wie blitzeblank das Geierrestaurant jedesmal ist. Nur die wirklich großen Skelette liegen etwas länger dort herum. Die kleineren werden entweder durch unsere Reifen oder durch Raubtiere zerkleinert und viele der Knochensplitter gefuttert. Das ist super, da Knochensplitter ein wichtiger Calcium-Lieferant für die Geier ist!
Eigentlich wollten wir auf dem Berg nach einem der beiden Geier Ausschau halten, wie wir vor zwei Tagen freigelassen hatten und die einfach nicht losfliegen wollten. Noch vor unserer Ankunft bekamen wir jedoch von Kerri die Info, dass der Geier endlich unterwegs ist. Aber dafür sollten wir nochmal nach dem Geier suchen, den wir bereits vor zwei Tagen auf einer Game Farm gesucht und nicht gefunden hatten. Kurz vor dem Tor von Nooitgedacht trafen wir wieder die Giraffenherde. Diesmal konnten wir sogar sechs Tiere teils direkt neben der Straße entdecken. Eine war höchstens 3 Meter von uns entfernt. Trotzdem haben wir sie im Schatten des Baumes erst entdeckt, als wir bereits fast an ihr vorbeigefahren waren. 4-5 Meter groß und trotzdem fast unsichtbar!
Wir fuhren wieder zum Haus der netten Leute, die uns vorgestern den Schleichweg zum Zaun der Game Farm gezeigt hatten. Diesmal haben wir aber vorsichtshalber den Besitzer der Game Farm angerufen, weil er sehr viel Zeit und Personal in die Jagd nach Wilderern auf seinem Gelände investiert. Schließlich leben bei ihm die Big Five. Das GPS-Signal war diesmal ein Stückchen vom Standort vor 2 Tagen entfernt, so dass wir sicher sein konnten, dass sich der Geier in der Zwischenzeit bewegt hat. Schnell über den Zaun geklettert und ein paar Hundert Meter dem GPS-Signal gefolgt... bis wir leider den toten Geier unter einem Baum entdeckten. So ein Mist!!! Er hatte keinerlei  Bisswunden oder sonstige Verletzungen sondern wirkte nur etwas dünn und dehydriert. Unser Frust ist natürlich riesengroß, weil wir ihn doch vor zwei Tagen in der gleichen Ecke gesucht und nicht gefunden hatten. Hätten wir ihn da noch retten können? Immerhin muss er da noch am leben gewesen sein. Weil wir ihn jedoch nicht finden konnten und das GPS-Signal nicht komplett live geschaltet ist, dachten wir er sei davon geflogen. Immerhin gab es in der Nähe ein Zebra-Aas, so dass es nicht unwahrscheinlich war, dass er sich ein paar Tage in der Gegend aufhält. Ziemlich geknickt brachten wir das arme Tier zum Wagen zurück und sammelten auf der Rückfahrt einen weiteren - noch lebenden - Geier ein, der von einem Mann gefunden und ein paar Tage versorgt worden ist. Immerhin ein Geier, den wir retten konnten. Der Kleine ist ziemlich biestig und hat munter um sich gehackt. Er dürfte in ein paar Tagen wieder fit für die Freiheit sein.
Nach unserer Rückkehr drehte ich eine kurze Runde an den Volieren vorbei und konnte den Marabu im ansonsten leeren Geierrestaurant entdecken. Als Kerri und ich später mit den Hunden dreimal um die Farm liefen, flatterte er auf die Brutvoliere und machte es sich auf seinen Stelzenbeinchen für die Nacht bequem. Leider musste Laura heute abreisen und auch Charne werde ich vor meiner Abreise nicht mehr wiedersehen, aber abends kamen dann noch andere Freunde mit vier Pizzen zum Abendessen vorbei. Gemeinsam saßen wir in der Picknickzone mit tollem Blick auf einen weiteren herrlichen Sonnenuntergang. Es war ein richtig schöner Abend, bis dann wenige Sekunden nach Abfahrt unserer Freunde die traurige Anruf kam:
Ein Kapgeier, um den sich Kerri seit Tagen ebenfalls Sorgen gemacht hat und zu dem sie morgen einen Suchtrupp schicken wollte, ist von anderen freiwilligen Helfern gesichtet worden. Leider wurde das am 08.07.2016 bei VulPro geborene Jungtier von ein paar Idioten mit Steinen zu Tode beworfen worden! Was für ein brutaler und grausamer Tod! :-( Anschließend wurde er lieblos in ein Müll-Loch geworfen und der GPS-Sender entfernt, vermutlich damit das Tier nicht gefunden wird. Allerdings war der Fundort nicht weit von den letzten Signalen entfernt gewesen.
Zuvor wollten bereits Leute einschreiten, aber die Tierquäler verlangten Geld, sonst würden sie nicht aufhören. Kerri hatte im Laufe des Nachmittages immer wieder Nachrichten zu diesem Geier erhalten, aber wir hatten wirklich gehofft die Helfer hätten den Geier vor diesem traurigen Schicksal bewahren und den Geier über Nacht in Sicherheit bringen können.
Leider passiert es immer wieder, dass sich Geier in Squatter Camps, Hüttensiedlungen, verfliegen, wo sie nicht wirklich in Sicherheit sind. Einen ähnlichen Vorfall hatten wir auch Heiligabend, als einer unserer markierten Geier in einer dieser gefährlichen Gegenden auf einem Friedhof gelandet und eingefangen worden war. Die Leute wollten Lösegeld verlangen oder das Tier töten. Der Handel mit gefährdeten Tierarten ist natürlich verboten, aber das interessiert viele Menschen hier nicht. Und als Tierschützer steht wir nun vor dem Problem, dass wir uns selber strafbar machen würden, wenn wir die Tiere freikaufen. Natürlich wollen wir um jedes einzelne Exemplar kämpfen, aber zu welchem Preis? Einmal Lösegeld bezahlt, fangen die Leute wahrscheinlich an gezielt unsere Geier einzufangen, um noch mehr Geld zu scheffeln. Geld, dass Artenschutzprojekten gar nicht zur Verfügung steht. Unsere Helfer konnten glücklicherweise den Geier gegen eine kleine Aufwandsentschädigung für die langen Telefonate freibekommen, aber das war vermutlich reine Glückssache. Und die heutige fiese Tat ist noch ein ganz anderes Kaliber. Hoffentlich gelingt es morgen der Polizei das teure GPS-Gerät per Signal zu orten und hoffentlich die Täter zu fassen. Viele Hoffnungen machen wir uns natürlich nicht, aber wir wollen in jedem Fall versuchen herauszufinden, was genau passiert ist. Super, dass die Polizei mithelfen möchte!
Nach fast zwei wunderschönen Wochen hier bei VulPro bin ich heute richtig übel auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Natürlich kommt es immer wieder zu Geierverlusten, ob wilde Geier und Geier, die wir hier aufgepäppelt und wieder freigelassen haben oder sogar hier geborene Junggeier, die in die nächstbeste Stromleitung krachen. Aber selber einen toten Geier im Feld zu finden, an dem man zwei Tage vorher noch so nah dran war, ist schon etwas ganz anderes. Und noch schlimmer, wenn plötzlich Informationen eintreffen, wie abartig und rücksichtslos irgendwelche Idioten einfach so unsere Schützlinge mit Steinen totwerfen. Natürlich ist uns hier allen zum Heulen zumute und es kommen Zweifel auf, ob wir diesen Kampf überhaupt gewinnen können. Verluste durch Stromleitungen, Elektrozäune, Windkraftanlagen und Giftköder gegen Raubtiere sind schon schlimm genug. Aber wo soll es noch hinführen, wenn die Menschen immer häufiger gezielt Geier töten, sei es durch Gift nach der Elfenbeinjagd (um Geier daran zu hindern Ranger auf Tierkadaver aufmerksam zu machen), durch Jagd, um Geierkörperteile als Heilmedizin und Vorhersagemittel zu nutzen oder durch sinnloses Töten per Steinwurf. Wo immer der Mensch in die Natur eingreift, kann eigentlich nichts Gutes mehr bei rumkommen! Und in einem kleinen Anfall von Langeweile, unkontrollierten Aggressionen oder einfach nur, weil Menschen es können, ist der Geier plötzlich tot und die mühsame, monatelange, aufopfernde Arbeit von Geierschützern zunichte gemacht. Wenn ich nicht Sorge hätte die Geier in den Volieren nebenan zu erschrecken, dann könnte ich jetzt loskreischen :-(

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