Mittwoch, 5. Oktober 2016

Zusammenfassung: VCF September

In Europa kreisen 4 der 23 Geierarten am Himmel: Gänsegeier, Bartgeier, Schmutzgeier und Mönchsgeier. Da Geier weltweit stark bedroht und viele Arten aus ihren ursprünglichen Lebensräumen bereits verschwunden sind, setzt sich in Europa die „Vulture Conservation Foundation“ (kurz: VCF) für ihren Erhalt und Schutz ein. In den vergangenen Jahren hatte ich das große Glück einige Mitglieder der VCF und ihre tolle Arbeit persönlich kennenlernen zu dürfen. Daher möchte ich nun regelmäßig eine Zusammenfassung des VCF-Newsletters in meinem Blog posten, um die gute Arbeit und Wissenswertes rund um unsere geliebten Geier weiter in die Welt hinauszutragen.
Nur wenige Tage nachdem dem ersten Flug eines wilden Schmutzgeier-Jungtieres in der Region Lomovete (Bulgarien), wurde ganz in der Nähe die Bruthöhle der drei nach Bulgarien transportierten Schmutzgeier-Nachzuchten geöffnet.
Fotos: BSPB
Die drei Junggeier stammen aus Zoos in Prag, Wien und Paris und sollen im Rahmen des European Endangered Species Programmes (EEP), der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA)und der Vulture Conservation Foundation (VCF) im Rusenski Lom Nature Park wiederangesiedelt werden. Zwei Wochen wurden die Junggeier in ihrem künstlichen Nest, das von Green Balkan konstruiert wurde, an die neue Umgebung gewöhnt, beobachtet und mit Futter unterstützt. Dieses wurde durch eine Röhre in die Bruthöhle gegeben, um jeden Kontakt zu Menschen zu vermeiden. In der Zwischenzeit wurde auch das Geierrestaurant auf dem Berggipfel von Unkraut befreit und für die hungrigen Geier hergerichtet.
Am 26. August flog das Männchen Lom als erster aus der Bruthöhle raus, gefolgt von seiner Schwester Regina, während Elodi lieber bis zum 01.September in der sicheren Höhle blieb. Bei ihren ersten Flügen wurden die jungen Geier genauestens beobachtet. Schnell entwickelten sich ihre Flugkünste weiter und schon bald mischen sich wilde Schmutzgeier unter die Neuankömmlinge. Nach anfänglichen Ängsten näherten sie sich schließlich dem Geierrestaurant und begannen zu fressen und ihr Aas sogar gegen ältere Vögel zu verteidigen. Am 02.September machte sich Regina bereits auf den Weg über Griechenland in die Türkei, wo sie hoffentlich einer sicheren Schmutzgeier-Migrationsroute in den Mittleren Osten folgt. Am 06.September begann auch Lom seine weite Migrations-Reise Richtung Griechenland.
Leider wählten beide Schmutzgeier die Wanderroute von der Türkei über Zypern. Diese Route endete bereits für 70 % aller markierten Junggeier vom Balkan tödlich, die meisten ertranken auf ihrer ersten Migration im Mittelmeer. Ebenso drei von sechs in Italien ausgewilderten Schmutzgeier der VCF im letzten Jahr. Regina flog am 8.September von Antalya nach Zypern und ruhte sich an der Westküste Zyperns aus, bevor sie südlich weiterflog über die Halbinsel Akrotiri. Von dort aus sind es 240 km bis zur nächsten Küste. Nach 6 Stunden und 190 km, nur 50 km von der Libanesischen Küste entfernt, änderte Regina ihren Kurs und flog weitere 130 km übers Meer in südwestliche Richtung. Dort stürzte sie schließlich, vermutlich völlig entkräftet, ins Meer – nur 25 km von der Küste von Tel Aviv entfernt ;-( Während ihrer Reise flog Regina 1500 km in 8 Tagen, im Schnitt 200 km pro Tag. Davon 500 km über offenes Meer, bevor sie ertrank.
Reginas Bruder Lom folgte ihr nur wenige Tage später. Er hatte seine Migration gestartet, indem er das Marmara-Meer und die Marmara Inseln überflogen hatte und nicht die Dardanellen, wie Regina. Er flog weiter durch Zentral-Anatolien, statt der Küste zu folgen. Am 13.September flog er von Adrasan aus übers Meer, genau wie Regina, und erreichte am nächsten Tag die Küste von Zypern. Anschließend folg er in südliche Richtung weiter, drehte kurz vor der Israelischen Küste ab und flog weiter in südwestlicher Richtung übers Meer, bis er kurz vor Ägypten ertrank.
Warum sich die Geier ausgerechnet für diese Route entschieden und zweimal kurz vor der rettenden Küste abdrehten, ist zur Zeit noch ein Rätsel. Wurden sie gestört, waren sie durch bebaute Touristenorte an den Küsten verunsichert? Jedenfalls waren beide Junggeier wohl genährt und kräftig, als sie sich auf ihre Migrationsreise begaben. Sie überquerten bekannte Schmutzgeier-Gebiete in Bulgaria (Mazdharovo - Östliche Rhodopen) und Griechenland (Dadia - Thrace), wo immer wilde Schmutzgeier präsent sind. Dennoch entschieden sie sich für die von Raubvögeln öfters aber von Schmutzgeiern eher selten genutzte Migrationsroute über Zypern.
Nach diesen beiden tragischen Verlusten ruht alle Hoffnung auf Elodie, dem dritten in Bulgarien ausgewilderten Schmutzgeier. Sie befindet sich nach wie vor nahe der Schutzhöhle, futtert regelmäßig im Geierrestaurant und zeigt bisher keinerlei Interesse an einer Migration.
Am ersten Samstag im September, dieses Jahr der 03.09.2016, jährte sich wieder der „International Vulture Awareness Day“ (IVAD), der Weltgeiertag.
Auf der Webseite (http://www.vultureday.org/2016) ist eine Übersicht über alle Organisationen, die weltweit den Geiertag feiern und durch die verschiedensten Aktionen die Aufmerksamkeit auf unsere Geier lenken.
Pünktlich zum Weltgeiertag wurden die fantastischen Ergebnisse des Andalucía Action Plan zum Schutz der Mönchsgeier veröffentlicht. 2016 wurden insgesamt 192 junge Mönchsgeier in Andalusien flügge. Das sind nur fünf weniger als im Rekordjahr 2015, aber natürlich immer noch ein beachtliches Ergebnis für diese bedrohte Spezies.
398 Paare haben gebrütet (362 in 2015) und insgesamt 366 Eier gelegt (317 in 2015). Daraus sind 192 Mönchsgeierküken erfolgreich geschlüpft. Die Mönchsgeier-Brutpaare verteilen sich auf folgende Gebiete: Huelva, 134 Paare (120 in 2015); Seville, 118 Paare (98 in 2015); Jaén, 79 Paare (wie in 2015); Córdoba, 67 Paare (65 in 2015).
Die Sterblichkeitsrate aufgrund von Gift konnte Dank Anti-Gift-Programmen bis 2010 um 80 % reduziert werden. In Spanien wächst die Mönchsgeier-Population stetig, ebenso in Frankreich, wo erfolgreich aufgepäppelte Mönchsgeier aus Spanien ausgewildert wurden. Eine dritte, neue Population befindet sich in Portugal. Aufgrund der großen Erfolge wird in Zusammenarbeit mit VCF und dem LIFE Projekt eine Wiederansiedlung von Mönchsgeiern in Bulgarien aufgebaut – ebenfalls mit Spanischen Geiern.
Am 10.September wurden zwei Gänsegeier durch die NGO AMUS, einem Partner in der Extremadura, nach erfolgreicher Genesung freigelassen. Eingeladen sind Schulkinder aus lokalen Schulen, Vertreter aus Stadtgemeinden und alle Geierinteressierten. Neben der Freilassung werden die Zuschauer über die Wichtigkeit von Geiern und ihrer Rolle in der Natur informiert, um die Geier den Menschen näher zu bringen. Außerdem wird die Arbeit von AMUS vorgestellt.
Traurigerweise ist die Reise der 6 Jahre alten Bartgeier-Dame Kira, die im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes der Bartgeier in den Alpen 2010 im Calfeisental (Schweiz) ausgewildert wurde, beendet. Nachdem ihr GPS-Sender tagelang keine Bewegung verzeichnete, machte sich ein dem des Parc National de la Vanoise auf den Weg die beliebte Geier-Dame zu suchen. Leider konnten nur noch ein paar Federn, Knochen und der Transmitter gefunden werden, der Rest ihres Körpers wurde bereits von Füchsen verschlungen. Untersuchungen stehen noch aus.
Kurz nach ihrer Auswilderung erkundete sie verschiedene Gebiete entlang der Italienisch-Französischen Grenze. Nach einigen Jahren ließ sie sich im Vanoise National Park nieder und die Hoffnungen waren groß, dass sie einen Partner finden würde. Leider wird dies nun nicht mehr eintreten können. Bisher konnte noch kein Bartgeier so lange per GPS-Sender erforscht werden wie Kira.
Ein weiterer, trauriger Mönchsgeier-Verlust ereignete sich am 15.September auf Mallorca. Dort ist ein junger Mönchsgeier auf ca. 1500 m Höhe mit einem Lufthansa-Flieger aus München kollidiert, der sich im Sinkflug befand. Der kleine Pechvogel war offenbar ein Jungtier auf einem seiner ersten Erkundungsflüge.
Nachdem es in den 80er-Jahren nur noch ein oder zwei Brutpaare auf Mallorca gab, konnte die Population mit Hilfe der Black Vulture Conservation Foundation und der Unidad de Flora y Fauna wieder aufgepäppelt werden. Mittlerweile werden gut 40 Brutpaare gezählt und die Vögel fliegen teilweise sogar zu den Nachbarinseln Ibiza und Menorca.
Mönchsgeier-Infos aus Serbien:
Einst weit verbreitet im Balkan, gibt es heutzutage nur noch eine Brutkolonie in Dadia (Nordöstliches Griechenland) mit etwa 35 Brutpaaren, die durch den WWF Griechenland unterstützt werden. Hinzu kommen ca. 2500 Brutpaare in Spanien, 35 Paare in Frankreich und 10 in Portugal.
Die VCF und Partner starten nun ein neues LIFE Projekt zur Wiederansiedlung der Mönchsgeier im Central Balkan Gebirge in Bulgarien – erste Freilassungen sind für 2018 geplant. Daher ist es gut zu wissen, dass wilde Mönchsgeier in Serbien gesichtet wurden, die sich vielleicht später mit der neuen Population mischen können.
Diesen Monat wurde ein Mönchsgeier im serbischen Schutzgebiet Uvca gesichtet, das für seine gesunde Gänsegeierkolonie betreut durch Geierexperte Saša Marinković bekannt ist.
Foto: Saša Marinković
Fazit der Bartgeier-Brutsaison 2016 in den Alpen: 43 Brutpaare haben 25 gesunde Küken gezeugt, das beste Jahr aller Zeiten!!!
Nachdem der Bartgeier Anfang des 20.Jahrhunderts in den Alpen ausgerottet wurde, startete 1986 das Wiederansiedlungsprojekt, koordiniert durch die VCF und unterstützt von vielen Partnern in vier Ländern. 1997 schlüpfte schließlich wieder ein erstes Küken in freier Natur und die Population wächst stetig an. 2016 wurden nun 43 Brutpaare beobachtet, 9 Paare mehr als im letzten Jahr. 34 Eier wurden gelegt (29 in 2015) und 25 Küken wurden erfolgreich flügge (19 in 2015) – ein neuer Rekord!
Es gibt nun zwei Kernpopulationen, eine rund um den Mont Blanc im Westen (Frankreich – Italien – Schweiz) und einen im Engadine-Stelvio Gebiet (Grenzgebiet Schweiz - Italien).
Neben dem Wiederansiedlungsprojekt führen die VCF und Partner zwei weitere EU-unterstützte LIFE-Projekte ein: LIFE GYPHELP und LIFE GYPCONNECT. Die Rückkehr des Bartgeiers in den Alpenraum ist eines der größten Wildlife-Comebacks in Europa aller Zeiten, auf das wir wirklich stolz sein können! Besten Dank an alle Projekt-Partner, Geierschützer und freiwillige Helfer, die sich für unseren Bartgeier engagieren!!!
Eine spannende Beobachtung wurde von Raphael Grinevald bildlich festgehalten und beschrieben:
Foto: Raphael Grinevald
In luftiger Höhe fand ein brutaler Kampf zwischen einem erwachsenen Bartgeier und einem Gänsegeier an der südlichen Flanke des Bargy Massif in Haute Savoie, Frankreich, statt. Eines der 15 Bartgeier-Brutpaare in den Französischen Alpen hat dieses Jahr erfolgreich ein Küken großgezogen. Dieses Küken wurde natürlich bestens von seinen Eltern vor dem Eindringlich beschützt. Der Kampf dauerte etwa 20 Sekunden an, bis der besiegte Gänsegeier das Weite suchte. Die Gegend wird durch das LIFE GYPHELP project unter der Leitung von ASTERS (Conservatoire d´Espaces Naturels de Haute Savoie) überwacht.
Schmutzgeier Rupis, der halbwüchsige Schützling aus dem LIFE-Projekt Rupis, hat seine Migration nach Afrika bisher gut überstanden! Den Großteil des Septembers verbrachte er westlich von Salamanca nahe der Portugiesischen Grenze. Ein Feldteam wurde in die Gegend geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Rupis hatte sich einer Gruppe von Schmutzgeiern, Gänsegeiern und Rotmilanen angeschlossen und futterte genüsslich von den Plazentas diverser kalbender Kühe sowie von Misthaufen.
Am 20.September begann er schließlich seine Reise in den Süden und flog dabei so schnell und zielsicher, als wüsste er genau, was er machen müsste. Dabei ist er in seinem jungen Leben bisher erst ein oder zweimal migriert. In 2 Tagen schaffte er 700 km und erreichte die Straße von Gibraltar am 22. September. Bei guten Wetterverhältnissen und Aufwinden war die Meerenge schnell überquert und das Afrikanische Festland erreicht. Die meisten Schmutzgeier sind bereits durch, aber zur Zeit werden täglich noch immer 30 bis 70 Exemplare gesichtet. Rupis hat seine erste Nacht in Afrika westlich von Meknes verbracht und wird mit Sicherheit noch weiter in den Süden fliegen.
Im Rahmen des LIFE GYPCONNECT Projektes haben sich 20 Mitglieder der verschiedenen Projekt-Partner unter der Leitung der VCF in zwei kleinen Örtchen im Department Aude (Frankreich) getroffen, um die Einführung der verschiedenen Aktionen zum Geierschutz zu besprechen und wichtige technische Aspekte auszutauschen.
Das LIFE+ Projekt GYPCONNECT, finanziert durch EU LIFE Fund, unter der Führung der League pour la Protection des Oiseaux (LPO), in Zusammenarbeit mit der VCF, Vautours en Baronnies, Centre National d' Informations Toxicologiques Vétérinaires, Electricité Réseau Distribution France, Parc National des Cévennes, Parc Naturel Régional du Vercors, und der Université Pierre et Marie Curie – Paris 6, startet 2015 und ist auf 6 Jahre angesetzt. Ziele des Projektes sind der Aufbau einer Bartgeier-Brutpopulation im Zentralmassiv und in den Vor-Alpen durch Wiederansiedlung sowie eine Unterstützung der genetischen Vermischung der Alpen-Population mit der Population in den Pyrenäen durch einen „Korridor“. In diesem Zusammenhang wurden 2016 vier junge Bartgeier in Baronnies und Grands Causses ausgewildert.
Alle Bilder sind Eigentum der VCF bzw. der jeweiligen genannten Fotografen und dürfen durch die freundliche Genehmigung von Direktor José Pedro Tavares in meinem Blog gezeigt werden.

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