Montag, 8. Dezember 2014

Freude und Trauer

Ich glaube das war heute einer der spektakulärsten Tage im Geierrestaurant von VulPro überhaupt! Was für ein toller Start in den Tag um 10:15 Uhr. Nachdem ich insgesamt acht Schubkarren-Ladungen voller Aas auf drei Volieren und das Geierrestaurant verteilt habe, wurden die wilden Kapgeier durch das gierige Geschnatter in den Volieren schon bald angelockt. Also Kamera geschnappt und ab ins Beobachtungshäuschen. Dort erwartete mich ein Anblick wie auf einem Schlachtfeld: Zur Rechten zig Geier auf dem Dach der Brutvoliere sowie davor - mit Blick ins Geierrestaurant.
Zur Linken zahllose Geier mitten auf der Wiese in Warteposition, die Hälse weit Richtung Geierrestaurant und Aas gereckt.
Sie standen sich also wie zwei Kriegsparteien gegenüber, in der Mitte die Objekte der Begierde: Ein Kalb am Stück und ein paar Schweine-Aasbrocken. Eine dritte Partei kreiste noch abwartend über dem Schlachtfeld.
Einen Aasbrocken hatte sich die rechte Seite bereits gesichert und fiel gierig drüber her.
Dennoch wurden die Gegner nicht aus den Augen gelassen. Wer wagt wohl den ersten Biss?
Diese Gruppe hier?
Oder diese beiden dort?
"Los, geh schon!", "Nein, geh du doch! Ich komme dann nach!"
Das ist aber nicht nett. Der Geier hat dem Pferd tatsächlich in den Schwanz gebissen. Er kann froh sein, dass er sich nicht einen Huftritt vor den frechen Schnabel eingefangen hat.
Die Menge wird immer unruhiger, die Spannung steigt!
Während die Geier noch warten, fangen die Heiligen Ibisse bereits an mit ihren langen Schnäbeln im Aas herumzustochern. Man sagt ja, dass Geier erstmal abwarten, ob ein Beutetier auch wirklich tot ist. Dabei bewegt sich dieses Kalb hier schon seit gestenr Abend ganz bestimmt nicht mehr!
Einige der Geier sehen alles ganz entspannt. Irgendwann wird das große Aas hack schon losgehen, dann kann man sich immer noch mitten rein stürzen.
Ein zaghafter, erster Biss ins große Schweineohr. Sofort fangen einige Geier an zu fauchen.
Die Geier werden unruhiger und unruhiger, auf beiden Seiten flattern die ersten Mutigen näher zur Futterstelle.
Die falschen Augen fangen an sich aufgeregt zu verfärben, jeder faucht jeden an und es kommt immer mehr Bewegung in die Meute aus gut 150 Geiern.
Die ersten Geier sind am Aas angekommen.
Dabei werden sie von der Konkurrenz direkt neugierig und wütend in Augenschein genommen.
Der Abstand zum Aas wird kleiner und kleiner.
Schritt für Schritt nähern sich die Geier, Flügel an Flügel, wie eine Wand. Jeder hat Hunger, aber alle warten auf den Startschuss.
Schade, dass ich die aufgeregten Geräusche nicht passend zu den Bildern abspielen kann...
Los gehts!!! Kaum hat der ersten Geier seinen Schnabel ins Aas gehackt, da gibt es kein Halten mehr!
Aus allen Richtungen flattern die Geier los, springen übereinander und in kürzester Zeit regnet es gut 50 weitere Geier vom Himmel herab. Natürlich kann ich nur grob zählen, aber heute sind deutlich über 200 Geier im Restaurant!!!
Das Kalb, der Schweinekopf sowie die anderen großen Aasbrocken werden von allen Seiten attackiert und kreuz und quer über die Wiese gezerrt. Bestimmt fünf große Geierhaufen wuseln hektisch über die Wiese und bewegen sich in alle Richtungen.
Jeder will seinen Anteil erhalten und niemand gönnt dem anderen etwas. Das wird getreten, gebissen, gefaucht und gehackt!
Ja, Geier sind ihren Artgenossen gegenüber nicht gerade zart beseitet, sobald es ums Fressen geht.
Der Anblick ist einfach atemberaubend. Trotz Panoramafenster weiß ich gar nicht, wo ich hinschauen soll, weil das Geiergewusel deutlich über mein Sichtfeld hinausgeht.
Weitere Geier treffen ein.
In dem Gewühl aus Federn, Hälsen und Riesenflügeln ist es gar nicht so einfach die markierten Geier zu erkennen, geschweige denn ihre Markierungen zu lesen. Am Ende kann ich 29 verschiedene auf meinen Bildern erkennen, aber vermutlich waren es viel mehr. Hin und wieder verlieren die Geier an einem (oder beiden) Flügel(n) ihre Markierung, dann wird es natürlich noch schwerer sie ausfindig zu machen.
Durch die obere Scheibe des Beobachtungshäuschens lässt sich das ganze Ausmaß noch besser erkennen, auch wenn die Bilder durch die dunkle Scheibe etwas verfärbt werden. Geier, wohin das Auge schaut!
Ein Stück Aas wurde bis an den Zaun der Brutvoliere gezogen. Als es nicht mehr weiter ging, da sprangen die Geier alle aufeinander. So einen witzigen Haufen habe ich ja noch nie gesehen! Das muss doch tierisch weh tun, wenn man der Geier ganz unten ist und von den ganzen Kollegen plattgewalzt wird. Aber vermutlich ist das den unteren Geier egal, solange sie nur ihren Schnabel ins Aas gehackt kriegen.
Ein Teil der Geierschar schwingt sich in die Lüfte, aber im noch immer überfüllten Geierrestaurant fällt der Abflug kaum auf.
Von dem wenigen Aas ist allerdings kaum noch was übrig.
Sorry, Schwein, aber du dienst einem guten Zweck!
An dieser Stelle möchte ich nochmal erwähnen, dass kein Futtertier getötet wird. Alles Aas, das die Farmer der Umgebung für die Geier spenden, ist auf natürliche Weise gestorben oder musste erlöst werden!
Ich weiß gar nicht mehr wie lange ich eigentlich im Geierrestaurant geblieben bin, aber bestimmt locker zwei Stunden. Fernsehen ist nichts gegen diesen Anblick!!! Als sich die Reihen langsam lichteten bzw. die Geier im Schatten entspannten, ging ich schnell aufs Zimmer die Bilder sichern. Dabei spürte ich irgendwie einen neugierigen Blick im Nacken, ich weiß gar nicht von wem. ;-)
Zum Glück war es heute nach dem gestrigen Unwetter und einer fast durchgeregneten Nacht nicht mehr ganz so brütend heiß. Dennoch waren einige Geier in der Großvoliere gut am Hecheln, genau wie dieser Ohrengeier hier.
Der freche Seeadler gönnte sich ein Bad und verlor dabei direkt ein Feder.
Tja, aber so schön die Erlebnisse im Geierrestaurant auch waren, es wurde alles getrübt durch die Erkenntnis am Morgen, dass der kleine Weißrückengeier im Hospital Camp es nicht schaffen wird. Bei dem Sturm über Nacht muss er sich zusätzlich noch einen Infekt eingefangen haben, denn er rasselte beim Atmen und wirkte schwächer denn je. Außerdem war heute ja die dreitägige Schonfrist vorbei und nachmittags stand ein Besuch des Tierarztes bei VulPro an. Diesmal musste auch der Tierarzt einsehen, dass es keine Hoffnung mehr für dieses schöne Geschöpf gibt. Er wurde mit einer Spritze ins Beinchen eingeschläfert, was nur wenige Sekunden dauerte. R.I.P.! Hoffentlich ist er jetzt an einem besseren Ort! Anschließend wurde vom Tierarzt eine Autopsie durchgeführt. Irgendwie fand ich die Möglichkeit dabei sein zu können schon spannend, aber als dem armen Kerl mit einer großen Zange die Rippenbogen aufgeschnitten wurden, da wäre mir fast schlecht geworden :-( Herzzerreißend, wie der Geier auseinander genommen werden musste, um die Todesursache zu ermitteln. Dabei stellte sich schnell heraus, dass sein Calciummangel schlimmer als vermutet war. Bei leichtem Druck brach direkt ein Bein. So ein extremer Calciummangel passiert nicht über Nacht bzw. in ein, zwei Wochen! Der Kropf war komplett leer, aber im Magen befanden sich neben unverdautem Fleisch auch weitere Steine und eine Glasscherbe. Auf dem nächsten Buch sind links die Gegenstände aus seinem Magen angeordnet und rechts die Steine, die bereits vor einer Woche von einer Tierärztin aus seinem Kropf entfernt wurden.
Jetzt könnte geprüft werden, ob die Steine aus der Voliere stammen, wo der Geier bereits zwei bis drei Wochen aufgepäppelt wurde. Falls nicht, dann hat er die Steine vielleicht schon im Nest verschluckt. Sowas passiert manchmal, wenn die Geiereltern keine Knochensplitter auftreiben können. Aber das hilft diesem armen Kerlchen natürlich auch nicht mehr. Schnief. Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn Geier sterben müssen. Das ist wirklich die Schattenseite an diesem Job.
Immerhin geht es dem Sekretär und den drei anderen Patienten besser und besser. Der Kapgeier vom Hundekampf durfte nach der Einschläferung seines Mitbewohners zu dem Kapgeier und Weißrückengeier nach nebenan ziehen. Medikamente brauchen sie alle nicht mehr. Nur der Sekretär wird noch zusätzlich mit Wasser versorgt.
Gestern hatte ich übrigens zum ersten Mal einem Geier (den nun toten) den Schlauch für die Flüssigkeitszufuhr einführen dürfen. Das ist gar nicht so einfach, selbst wenn der Geier von einer zweiten Person gehalten wird. Dem Geier macht das ganze keinen Spaß, vor allem, wenn er die Prozedur schon kennt. Man muss seinen Schnabel aufdrücken, dabei hackt er natürlich gerne um sich. Das Schläuchlein muss an der Hornzunge vorbei in den Hals gesteckt werden. Dabei ist zu beachten, dass man sie ihm nicht in die Lunge rammt, sondern schön den Hals entlang bis in den Kropf. Hat man die richtige Stelle erwischt, so kann man das Schläuchlein von außen an der Halsinnenseite sehen und fühlen. Ist sie im Kropf angekommen, kann man am freien Ende die Wasserkanülen ansetzen und in den Schlauch spritzen. Ist ein Patient stark dehydriert, so bekommt er 120 ml, ansonsten reicht eine Kanüle mit 60 ml. Ist das Wasser im Kropf, so zieht man das Schläuchlein nach oben hin aus dem Schnabel raus, damit der Rest der Flüssigkeit noch in den Hals laufen kann. Es was in jedem Fall eine Erfahrung wert und hilft die medizinische Behandlung von Geiern besser zu verstehen. Dennoch bleibe ich wohl lieber dabei derjenige zu sein, der den Geier festhält ;-)
Heute war also wirklich ein Tag voller Höhen und Tiefen. Nur einer schien dabei ganz ruhig zu bleiben und legte sich gemütlich unter einem Auto-Anhänger schlafen...

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