Donnerstag, 4. April 2013

Schwarzer Tag im Paradies

Schnief, heul, schluchtz, jetzt ist es wirklich passiert: Ich musste wieder miterleben, wie ein Geier gestorben ist :-( Noch dazu einer, der mir ganz besonders ans Herz gewachsen ist! Hoffentlich geht es ihm dort, wo er jetzt ist, wesentlich besser als in den letzten Wochen auf Erden!
Zur Erinnerung: Es geht um die tapfere Kapgeier-Dame mit dem gebrochenen Bein ohne Gefühl in der Kralle. Die Krallenprothese war nach vielen Wochen hier bei VulPro praktisch die letzte Möglichkeit der Geier-Dame noch zu helfen, aber der getrennte Nerv im Bein ist einfach nicht mehr verheilt. Ohne Kraft in der Kralle könnte die Geierin nie wieder alleine Fressen, sprich mit der Kralle das Aas festhalten und mit dem Schnabel Stücke abreißen. Wir müssten ihr ihr Leben lang das Aas in schnabelgerechte Stücke schneiden, wie ich es die letzten zweieinhalb Wochen getan hatte. Außerdem humpelt sie ganz schrecklich, das ist einfach kein geierwürdiges Leben mehr.
Gestern wurde ich zum Glück bereits vorgewarnt, dass wir heute zum Tierarzt fahren würden, um noch ein letztes Mal durchzusprechen, was noch getan werden könnte bzw. was nun endlich getan werden müsste. Ich konnte die ganze Nacht kaum schlafen, weil ich so geknickt war, dass plötzlich das Leben dieser Geier-Dame auf dem Spiel steht, wo doch erst vor zwei Tagen ein anderes Geier-Mädchen nur ganz knapp überlebt hat. Als Kerri mich dann heute Morgen fragte, ob ich mitfahren möchte, da wollte ich dem Geier unbedingt beistehen, genau wie Travis.
In einer Transportkiste brachten wir ihn zum Tierarzt auf dem Gelände der Uni von Pretoria, wo viele Geier von VulPro behandelt werden. Der arme Geier war richtig ängstlich und polterte kräftig in seiner Kiste herum, so dass der ganze Wagen wackelte.
Für einen kurzen Moment mussten wir im Wartezimmer platznehmen. Konnte mir das Grinsen nicht verkneifen bei der Vorstellung, wie wohl alle Leute in Deutschland entgeistert gucken würden, wenn man mit einem Geier unterm Arm zum Tierarzt spaziert...
Auf dem Operationstisch wurde dem Geier die Krallenprothese abgenommen und das Bein kurz untersucht. Keine glücklichen Gesichter.
Um ihn besser untersuchen zu können, musste er betäubt werden. Also bekam er eine Maske auf den Schnabel gesetzt und wurde narkotisiert. Wenn das nicht alles so verdammt traurig wäre, sähe es schon wieder lustig aus.
Dem Geier wurde der Metallstick entfernt, der seinen gebrochenen Knochen zusammenhalten soll. Das Bein war uns ja schon vor einigen Tagen komisch entzündet vorgekommen, aber nun bekamen wir Gewissheit. Die Tierärztin meinte sofort, dass der Nagel entzündet riecht und das zu dem geschwollenen und gehärteten Bein passt. Wenn bei einem Tier ein Knochen entzündet ist, dann muss offenbar der gesamte entzündete Teil amputiert werden, um das Tier zu retten. Einem Geier kann man aber kein Bein amputieren, wie ich oben ja bereits erwähnt habe. Daher schaute nun auch die Tierärztin total geknickt drein. Keine Chance :-(
Es ist umso trauriger, weil man genau gemerkt hat, dass diese Geierin eine Kämpferin war. Sie wollte gesund werden und sie hat sich geduldig immer wieder von uns untersuchen und bandagieren lassen. Andere verletzte Geier wollen offenbar lieber sterben und verweigern jede Hilfe bzw. attackieren ihre Helfer. Doch nicht diese Geier-Dame. Total traurig! Aber wir sind uns sicher, dass sie genau gespürt hat, dass wir alles erdenklich Mögliche getan haben, um sie zu retten.
Das Letzte, was ich noch für die Geierin tun konnte, war ihre gesunde Kralle zu halten, während die Tierärztin und Kerri sie mit zwei Spritzen in die Flügel traurig einschläferten. Offenbar versuchen sich viele Geier in letzter Sekunde dagegen zu wehren, schreien und zucken ganz jämmerlich, was das Ganze noch herzzerreißender macht. Nicht so unsere tapfere Geier-Dame, die ganz friedlich liegen blieb und langsam die Augen schloss. Da blieb kein Auge mehr trocken :-(
Den Rest des Tages habe ich in traurigen Gedanken verbracht, aber für die Geier-Dame war es wirklich das Beste. Und letztendlich werden bei VulPro wesentlich mehr Geier-Leben gerettet, als dass Geier sterben. Also hoffe ich jetzt, dass dies der erste und letzte Geier-Tod ist, den ich in dem nächsten halben Jahr hier erleben muss.
Vom Tierarzt nahmen wir fünf kleine Hühnchen mit, keine Ahnung, wie sie heißen. Sie sollen der Zucht von Tierfutter dienen. Arme Viecher.
Die schöne Nachricht ist, dass sich der junge Kapgeier aus der Brutvoliere, der zunächst nicht fressen wollte, daher zu unserem neuen Weißrückengeier in die kleine Rehabilitationsvoliere kam und gestern wieder in die Brutvoliere umziehen konnte, gut wieder eingelebt hat. Mutig hat er sich seinen Lieblingsplatz zurück erkämpft und wird uns nun hoffentlich keine Sorgen mehr bereiten.
Auch das Geier-Mädchen mit dem frisch amputierten Flügel hat sich so gut erholt, dass sie heute bereits wieder in die Brutvoliere umziehen konnte. Dort wirkte sie alles andere als niedergeschlagen, eine echte Kämpferin.

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