Donnerstag, 14. März 2013

"Share the Sky, Save the Vultures"

Zum Abschluss meines tollen Nepal-Aufenthaltes bei Parahawking möchte ich noch einmal genau auf die Geier-Probleme hier in Asien hinweisen. Ich glaube darauf bin ich in den letzten Wochen gar nicht genau eingegangen, weil ich die Geschichte täglich drei-, viermal Touristen und Fluggästen erkläre, aber dann nicht mehr niederschreibe. Aber vielleicht ist es gut so, denn durch die vielen Schmutzgeierbilder der letzten Wochen sind Bob und Kevin sowie deren wilde Verwandte hoffentlich jedem hier ans Herz gewachsen. Umso erschreckender nun also das ganze Ausmaß der Geier-Katastrophe:
Hier in Nepal, genau wie in Indien und anderen Ländern Asiens, sind Kühe heilige Tiere. Sie dürfen nicht einfach geschlachtet werden, wenn sie verletzt oder altersschwach sind, wie dies wohl in Europa oder Amerika der Fall wäre. Die Menschen hier möchte ihre Kühe so lange wie möglich am Leben halten, vor allem auch deshalb, weil eine Kuh oder ein Büffel das absolute Statussymbol hier ist. Egal wie schwach die Kuh ist, hauptsache die Familie besitzt eine. Außerdem können sich die armen Familien hier nur schwer eine neue Kuh leisten. Aus diesem Grund geben die Menschen ihren Kühen das Schmerzmittel Diclofenac, das zum Beispiel auch Bestandteil von Voltaren ist (was ich mit Erschrecken festgestellt habe). Dieses Schmerzmittel benutzen die Einheimischen ihr bereits ihr ganzes Leben lang und sie wissen, wie gut es den Kühen hilft. Das Problem ist aber, dass es lange, lange Zeit dauert, bis Diclofenac aus dem Körper der Kuh verschwindet. Stirbt die „Diclofenac-verseuchte“ Kuh also eines Tages irgendwo auf dem Acker und bis zu 100 wilde Geier mampfen sich an dem Kadaver satt, dann werden sie alle innerhalb von 24 Stunden an Leber- und Nierenversagen sterben!!!
Geier sind jetzt ja leider nicht die größten Sympathieträge, was ich absolut nicht verstehen kann. Über die Ausrottung von Pandas weiß praktisch jeder bescheid, da Pandas ja soooo niedlich sind. Von der Geier-Krise hat kaum jemand gehört. Umso weniger erstaunlich ist es, dass es viele Jahre gedauert hat, bis die einheimische Bevölkerung Asiens plötzlich bemerkt hat, dass immer weniger Geier zu sehen sind. Irgendwann versuchten die Forscher herauszufinden, was das Geier-Sterben verursacht, aber so was dauert auch seine Zeit. Bis die Forscher den Verursacher Diclofenac entdeckten, waren in den letzten 10 Jahren gut 99,9 % aller Geier verschwunden!!! 40 Millionen, wahrscheinlich noch viel mehr!
Die Kadaver der toten Kühe verrotten in den Straßen vor sich hin und sind Keimherd für viele Krankheiten. Außerdem kommen nun die wilden Hunde in die Städte, um sich satt zu fressen. Diese Hunde bringen noch mehr Krankheiten, vor allem Tollwut! Außerdem folgen nun auch die Feinde der wilden Hunde in die Städte, hier in Nepal ist das der Leopard. Hin und wieder kommt es zu Angriffen auf Menschen, so dass die Menschen nun auch anfangen die Leoparden abzuschießen. Ein schlimmer Teufelskreis, den kaum einer bemerkt hat – und das nur, weil Geier unverdientermaßen so einen schlechten Ruf haben.
Mittlerweile ist die Nutzung von Diclofenac für Tiere verboten, aber Menschen kaufen es immer noch für sich selber und geben es ihren Tieren oder kaufen es auf dem Schwarzmarkt. Es gibt verschiedene gleichwertige Schmerzmittel für Kühe, die nicht schädlich für Geier sind und auch nicht teurer sind. Aber die Einheimischen nutzen es ihr ganzes Leben lang, sie wissen, dass es hilft. Warum sollten sie also ihre Gewohnheiten ändern und etwas Neues ausprobieren?
Parahawking setzt sich mittlerweile seit 12 Jahren für den Geierschutz ein, unterstützt Geier-Restaurants in Nepal, Zuchtstationen in Nepal und Indien und bringt vor allem Schmutzgeier durch 8 Jahre Parahawking-Flüge den Menschen näher.
Die Aufklärungsarbeit hier ist sehr wichtig, aber natürlich lassen sich die Einheimischen nur ungern Dinge von Ausländern erklären – Parahawking ist britischen Ursprungs. Daher hat Parahawking begonnen Einheimische über die ganze Diclofenac-Problematik aufzuklären. Diese Einheimischen gehen nun zu den Farmern und klären wiederum diese über Diclofenac auf. Außerdem hat Parahawking begonnen von einem Anteil der Einnahmen durch Parahawking-Flüge und Falkner-Stunden die verletzten und alten Kühe von Farmern aufzukaufen, BEVOR diese Diclofenac verwenden. Die alten Kühe kommen dann auf eine eigene Weide von Parahawking, wo sie ihre letzten Tage oder Jahre verbringen können. Sterben die Kühe auf natürliche Weise, dann können die wilden Geier in Geier-Restaurants mit diesem gesunden Fleisch gefüttert werden. Die Farmer wiederum bekommen zunächst das Geld und später die Haut der Kühe, um Geld zu verdienen und eine neue Kuh kaufen zu können. Leider hat ein Erdrutsch während des letzten Monsuns die halbe Weide und fast alle Kühe von Parahawking weggerissen, so dass diese Saison mehr denn je Spenden gebraucht werden.
Mit meinen sechs Wochen volunteering hier habe ich mir also tatsächlich ein vorbildliches Projekt ausgesucht, das wirklich Hilfe braucht, um weiterhin Großes leisten zu können! Ich bin sehr stolz, dass ich für ein paar Wochen Teil dieses tollen Geierschutz-Projektes sein konnte.

Ich möchte natürlich auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Schmutzgeier Bob und Kevin NICHT für Parahawking-Flüge eingefangen wurden!!! Beide wurden als ca. ein bis zwei Tage alte Küken unter einem Baum gefunden, wahrscheinlich von ihrem stärkeren Geschwisterchen aus dem Nest geschubst. Normalerweise haben diese Küken keine Überlebenschance. Einheimische hatten sie gefunden und von Scott Mason, Chef von Parahawking, gehört, der seit seinem 10. Lebensjahr mit Vögeln arbeitet und in England bereits mehrere Auszeichnungen erhalten hat. Also brachten sie die Geierküken zu ihm mit der Aussage, dass sie sie sonst ihrem Schicksal überlassen würde. Scott zog die Geierküken also von Hand auf, was allerdings zu einer Prägung auf den Menschen führt. Die Geier können also nicht mehr ausgewildert werden, aber immerhin haben sie mit den Parahawking-Flügen eine tolle Berufung gefunden, um auf ihre wilden Artgenossen aufmerksam zu machen!

1 Kommentar:

  1. Ich kannte nur den zweiten Teil der Geschichte: Daß das Fehlen der Geier die wilden Hunde anzieht, die dann Seuchen verbreiten. Daß das Geiersterben eine solch groteske Ursache hat, war mir neu. Das einzig gute daran ist, daß es nicht irgendein geheimnisvoller Virus oder Parasit ist (wie die Varroa-Milbe bei den Bienen), sondern eigentlich eine Sache, die man theoretisch in den Griff bekommen könnte. Danke für die interessanten Informationen.

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