Freitag, 26. Oktober 2012

Morgenstund hat Aas im Schlund

Eigentlich wollte ich heute meinen "Weg zur Arbeit" vorstellen und hatte extra alle paar Meter Fotos gemacht... aber die schöne Überraschung, die mich an der Andenkondor-Voliere erwartet, hat jetzt erstmal Vorrang! Miguel war gerade dabei die Kondore mit saftigem Aas zu füttern, als ein prachtvolles Riesen-Kondor-Männchen durch die Luft geglitten kam. Zunächst landete er noch in einiger Entfernung in einer Felswand.
Doch schon bald schwang er sich wieder in die Lüfte und drehte genau über mir seine Kreise, während ich über die Wiese auf die Voliere zuging. Herrlich! Bei so einem Riesenvieh verdunkelt sich doch direkt die Sonne, wenn er vorbeigesegelt kommt.
Und kaum kam ich an der Voliere an, da setzt auch er zur Landung an. Mitten auf der Voliere des Single-Kondor-Mannes.
Neugierig schaute er sich um und entdeckte sofort die Aasstücke, die noch im Gras lagen.
Spitzbübisch angepirscht...
... unauffällig hinter einem Baum versteckt...
... und zack, hack den Schnabel rein ins Aas!!!
Miguel hatte den Kondor-Mann natürlich gesehen und ihm ein köstliches Aasbröckchen zugeworfen, dass er in Sekundenschnelle in seinem Schnabel verschwinden ließ.
Netterweise bekam er direkt noch ein weiteres Aasbröckchen hinterher. Unglaublich, wie schnell so ein dickes Aas in eines Andenkondors Schnabel verschwinden kann!
Neugierig beobachtete er weiterhin das Geschehen und schien sich hin und wieder mit seinen Kollegen durch den Zaun zu unterhalten.
Mampf, doch noch ein Stückchen Aas abgestaubt!
Aber der Geier schien den Schnabel einfach nicht vollzukriegen. Während Miguel in einer der Volieren herumhantierte, pirschte sich der Kondor-Mann erneut an und durchsuchte das Gras nach Aas-Resten.
Als es für ihn nichts mehr zu holen gab, flatterte er zurück auf die Voliere und schaute Miguel weiterhin bei der Arbeit zu. Man konnte direkt merken, dass die beiden gute Freunde sind. Der Andenkondor-Mann kommt offenbar sehr regelmäßig zur Voliere geflattert.
"Huhuuu!"
Suchbild: Wo steckt der Andenkondor?
Von der Voliere herab ins Gras geflattert latschte der Kondor gemütlich um eine Gebüsch herum und auf die Absperrung zu, die eigentlich allzu neugierige Besucher fernhalten soll. Von dem Flatterband ließ er sich allerdings herzlich wenig beeindrucken und latschte fröhlich drunter hindurch.
 
Wie schon vor zwei Tagen kletterte er die kleine Anhöhe hinauf und nahm auf seiner Startbahn Platz. Noch einmal kräftig die Flügel gelockert....
... und auf in die Lüfte!
Diese beeindruckende Haltung mag ich besonders:
Nach wenigen kräftigen Flügelschlägen hatte er es dann geschafft und segelte elegant durch die Lüfte, hinaus ins Tal, bis er hinter einem Hügel verschwand.
Wenig später tauchten zwei andere Greifvögel im Synchronflug auf. Bin mir nicht ischer, was das für Vögel waren. Irgendwelche Bussarde oder Falken!?
Während ich die Beobachtungen durchführte und fleißig jede Bewegung notierte, fiel mir einmal mehr auf, wie angekokelt mein Handrücken doch ist. Ich mache einfach immer wieder den gleichen Fehler: Im Grunde bade ich förmlich in Sonnencreme, aber die Handrücken vergesse ich jedes Mal.
Diese weißen Vögel treiben sich hier häufiger rum. Gute Möglichkeit Flug-Fotos zu üben...
Auch die Kühe wollten heute mal Andenkondore gucken und schafften es auf welchem Weg auch immer zwischen Absperrung und Voliere. Diesen Bereich dürfen nicht einmal wir betreten, weshalb das Fotografieren der Voliere-Insassen sehr schwierig ist.
Das Durchgang-Verboten-Schild scheinen sie nicht wirklich wahrgenommen zu haben!
Pünktlich zum Ende der Kondor-Beobachtungen kam eine Projekt-Betreuerin (Mitte) mit Miguel (links) und einem Tierarzt (rechts) vorbei, um zwei der Kondor-Pärchen zu tauschen.
Einige der Kondore sind miteinander verwandt und scheinen durch das Gitter hindurch zu Aggressionen zu neigen. Daher wurden die beiden Kondore aus Voliere 1 mit den beiden Kondoren der Voliere 2 getauscht. Endlich durften also auch wir in den abgesperrten Bereich und konnte bei der Kondorjagd mithelfen. Leider waren die Kondore beim Betreten der Voliere und dem Anblick der Fangnetze so gestresst, dass sie sofort ihr 5 Stunden altes Frühstück hochwürgten :-( Was für eine Verschwendung! Eigentlich hätte man das eher einkalkulieren müssen und den Kondoren heute kein Futter geben müssen. Aber offenbar wusste niemand so genau, an welchem Tag der Tierarzt überhaupt vorbeikommt. In Ecuador sind Termine ja eigentlich nur Vorschläge, keine verbindlichen Absprachen. Die Kondorjagd war ziemlich erschreckend, für die Kondore wie auch für uns. Nathan und ich waren sofort der Meinung, dass die Kondore ziemlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber wahrscheinlich gehts auch nicht viel schonender!? Zunächst wurden die beiden Männchen eingefangen und getauscht, danach die beiden Weibchen. Als wir fertig waren konnte ich es mir nicht verkneifen den Tierarzt zu fragen, ob man denn wirklich die Kondore mit diesen kleinmaschigen Netzen einfangen muss, wo sie sich hoffnungslos drin verheddern. Und ob man sie nicht besser von Hand einfangen könne (wie die Kapgeier in Südafrika). Er schien zunächst skeptisch, bis ich ihm erzählte, dass ich in Südafrika gelernt hatte, wie man Geier von Hand einfängt. Dies schien ihn sehr zu beeindrucken, denn er wollte sich genau erklären lassen, wie man einen Geier denn überhaupt einfangen kann. Teils in Englisch, teils mit der Projektkollegin als Dolmetscherin erzählte ich ihm, welche Einfangtechnik ich gelernt hatte. Er meinte, dass er davon ja gerne mal ein Bild sehen würde. Hehe, wie gut, dass ich (Schwesti sei Dank) meine tollen Geier-Visitenkarten mit dem entsprechenden Bild jederzeit griffbereit habe. Nicht nur er, sondern auch Miguel waren sehr begeistert und überlegten sofort, ob man sich auch einen Andenkondor auf diese Weise schnappen könne. Als sich beide verabschiedeten und gehen wollten, drehte der Tierarzt sich doch noch einmal um und fragte mich, wie lange ich noch hier wäre und ob wir uns demnächst noch einmal ausführlicher darüber unterhalten könnten. Er wäre sehr daran interessiert zu testen, ob man auch die Kondore so einfangen könnte. Vielleicht probieren wir das dann sogar einmal aus - ähm, das heißt, ich überlasse ihm gerne den Vortritt. Fühle mich aber total geschmeichelt, dass ein Tierarzt, der sich seit Jahren um Andenkondore kümmert, etwas von mir lernen möchte!!! Bin schon sehr gespannt, ob es tatsächlich nochmal zu diesem Gespräch kommen wird.
Um zu sehen, ob sich die Kondore auch nicht verletzt haben - ein Weibchen ist richtig heftig gegen eine Sitzstange geknallt :-( - blieben wir noch eine halbe Stunde an der Voliere sitzen und beobachteten die Vögel. Ein Männchen humpelte erschreckend viel. Es ist zwar genau das Männchen, dass aufgrund eines schlecht verheilten Beinbruches sowieso humpelt, aber so schlimm sah es noch nie aus! Kann aber auch daran liegen, dass ich den Geier noch nie so viel habe rumrennen sehen wie jetzt, wo alle vier noch immer sehr aufgeregt waren. Ist ja auch nicht nett, sie einfach in eine andere Voliere zu stopfen... Morgen bekommen sie ein "Trostkarnickel" zum Frühstück und dann schauen wir nochmal genau hin, ob sie den Umzug auch gut überstanden haben. Das hochgewürgte Aas werden sie wohl kaum noch anrühren wollen.
Apropos Karnickel: Die Kaninchenkäfige sind alle durchnummeriert und es werden hin und wieder Schilder an die Käfige gehängt, wenn diese Käfig-Insassen zum Kondor-Verzehr freigegeben sind. Ich weiß gar nicht, wie das Schild vom Käfig meines Lieblingskarnickels plötzlich verschwinden konnte :-) Natürlich sind die anderen Kaninchen auch alle total süß, aber zumindest den einen werde ich versuchen die nächsten 6 Wochen zu retten!!!

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