Mittwoch, 24. März 2010

Bartgeier im Tierpark Goldau

Von Zürich aus erreicht man in etwa einer halben Stunde Zugfahrt den Bahnhof Arth-Goldau, in dessen unmittelbarer Nähe der 1925 gegründete Tierpark Goldau liegt. Der Tierpark wurde auf dem Gelände des „Goldauer Bergsturzes“ aus dem Jahre 1806 angelegt, bei dem damals etwa 40 Millionen Kubikmeter Gesteinsmasse ins Tal rutschten. Durch diesen Erdrutsch entstand eine reizvolle Landschaft aus mittlerweile mit Moos bewachsenen Gesteinsbrocken, in der sich die zum Teil freilaufenden Wildtiere sichtlich wohl fühlen. Vor allem Damhirsche, Steinböcke und Mufflons sind zahlreich vertreten. Der Tierpark Goldau beherbergt etwa 100 heimische und europäische Wildtierarten und beteiligt sich aktiv an der Wiederansiedlung gefährdeter Tierarten. Dazu zählt auch der etwa 5 bis 7 kg schwere Bartgeier, der 1913 in den Alpen ausgerottet wurde.


1998 wurden zwei Bartgeier-Zuchtvolieren mit einem Gesamtvolumen von rund 5200 qm errichtet. Beide Volieren sind nach Süden ausgerichtet, um das Wohlbefinden der Bartgeier möglichst gut zu unterstützen. Damit die beiden sehr störungs- und geräuschsempfindlichen Brutpaare nicht gestört werden, ist die Zuchtstation für Besucher nicht zugänglich.


Bartgeier-Schauvoliere mit tollem Panoramablick!

Es gibt jedoch auch eine bereits 1995 eröffnete Schauvoliere, in der ein weiteres Bartgeier-Brutpaar in friedlicher Eintracht mit mehreren Schneehasen lebt. Zugegeben, es war sehr gewöhnungsbedürftig mit anzusehen, wie die niedlichen, strahlendweißen Schneehasen durchs Gehege hoppelten… während auf dem Aas-Baumstamm ein verdächtig weißes Fellbüschel zum Verzehr freigegeben lag… aber wahrscheinlich war das höchstens ein Hase, der an Altersschwäche gestorben ist.



Bartgeier ernährend sich nämlich geiertypisch nicht von lebenden Tieren, sondern von Aas und Knochen – wobei beim Bartgeier Knochen etwa 70 % der Gesamtnahrung ausmachen[1]. Knochen mit einer Länge von bis zu 25 cm und einem Durchmesser von etwa 7 cm kann der Bartgeier meist direkt verschlingen. Ist ein saftiger Knochen zu groß, so schnappt sich der Bartgeier den Knochen mit seinen kräftigen Krallen und hebt ab. Aus gut 70 m Höhe lässt er den Knochen zielgenau auf einen Stein oder Felsen krachen, so dass der Knochen aufplatzt. Nun kann der kluge Geier die Knochensplitter und das Knochenmark problemlos futtern. Knochen hack! Zersplittert der Knochen nicht, so nimmt der geduldige Bartgeier auch weitere 40 Abwürfe in Kauf, was bis zu einer halben Stunde Zeit in Anspruch nehmen kann [1].


Das Wetter spielte bei unserem Besuch am Sonntag ganz und gar nicht mit, aber wasserdicht eingemummelt konnte der Regen Rangi und mich nicht von einer gemeinsamen Geier-Safari abhalten.
Bei dem grauen, diesigen Wetter fiel das farbige Gefieder des Geiers schon von weitem auf. Bartgeier färben ihre helle Unterseite durch baden in eisenoxidhaltigem Schlamm leuchtend goldgelb bis rostfarben ein. Die Oberseite hingegen ist schwarzbraun, ebenso wie die Unterseite der Flügel und der Schwanz. Warum sie das tun ist allerdings bisher noch ungeklärt; vermutlich als Signalfarbe, zur zusätzlichen Eisenversorgung oder aus antiparasitären Gründen [1].

Da es zeitweise recht stark regnete, sah der Bartgeier ziemlich zottelig und zerzaust aus. Er hat sich wieder und wieder mit dem Schnabel im Gefieder gekratzt und versucht seine patschnassen Federn zu säubern. Manchmal hat er herzhaft gegähnt, wobei es wirklich beeindruckend war, wie weit er seinen Schnabel aufspreizen kann. Kein Wunder, dass er trotz relativ kleinen Schnabels riesige Knochen verschlingen kann.


Bartgeier im Regen

Direkt neben der Geier-Voliere befindet sich ein kleiner Anbau mit einer Bartgeier-Ausstellung, über die ich im nächsten Artikel genauer berichten werde.
Bei unserem zweiten Geier-Besuch, nachdem wir den Rest des schönen Tierparks besichtigt und bestaunt hatten, sah der Bartgeier auf seinem Aas-Baumstamm und hackte in dem weißen Pelzbüschel herum. Naja, schön war die Hasen-Vorstellung noch immer nicht, aber auf Geier müssen ja von irgendwas leben. Leider kam schon bald eine Horde kleiner Kinder angerannt, so dass der Geier den ganzen Brocken Fell und Fleisch in den Schnabel nahm und damit auf seinen Geier-Felsen außer Sichtweite flog...





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[1] Wolfgang Baumgart: Europas Geier – Flugriesen im Aufwind; Sammlung Vogelkunde; AULA-Verlag; Wiebelsheim; 2001

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